Gegen eine Verstaatlichung des Rettungsdienstes: Für einen leistungsfähigen Bevölkerungsschutz
Positionspapier des DRK in Sachsen-Anhalt zum Rettungsdienst - Stand 1.3.2023

Menschliches Leid zu lindern und zu verhindern ist die zentrale Aufgabe des DRK. In Sachsen-Anhalt setzt es sich deshalb konsequent im Bevölkerungsschutz und in der Rettung ein. Aktuell bestehen alarmierende Tendenzen zur Verstaatlichung von Rettungsdienststrukturen. Verstaatlichung wäre rechtswidrig und heißt:
Kostenexplosion
Die Kosten steigen bei Kommunalisierung meist signifikant. Dies betrifft sowohl die Personalkosten als auch die Sachkosten (z. B. Anschaffung und Ausrüstung neuer Fahrzeuge, Errichtung von Rettungswachen).
Durch die Verstaatlichung gingen den Kommunen und der Bevölkerung die Strukturen und das Fachwissen der Hilfsorganisationen verloren. Der Aufbau adäquater Kompetenzen und dementsprechender Strukturen erzeugte Mehrkosten und ist auch nicht leistbar (Motivation von Ehrenamtlichen).
Qualitätsminderung
Das Deutsche Rote Kreuz in Sachsen-Anhalt unterliegt einer jährlichen externen Qualitätskontrolle. Qualitätsmanagement führt zur Transparenz bei Angebot und Leistung. Mangels zukünftiger Ausschreibungen entfiele ggf. die kontinuierliche Verbesserung durch ein QM-System.
Ebenfalls fallen mittelfristig ehrenamtliche Helfer weg. Auch dies schwächt Qualität und Resilienz.
Wissensverlust
Die Hilfsorganisationen sind die führenden und anerkannten Fachverbände für den Rettungsdienst/Katastrophenschutz in Deutschland.
Durch eine Verstaatlichung des Rettungsdienstes ginge den Kommunen erhebliches Fachwissen der Hilfsorganisationen in den Bereichen Qualitätsmanagement, Benchmarking, Arbeitsschutz, Einsatztaktik- und führung verloren. Dies wäre fatal.
Gefährdung resilienter bewährter Strukturen
Das DRK in Sachsen-Anhalt ist Teil des komplexen Hilfeleistungssystems des Roten Kreuzes. Daher sind alle Aufgabenfelder des Deutschen Roten Kreuzes im Haupt- und Ehrenamt so gestaltet, dass sie bei Katastrophen, Krisen und Konflikten ein flexibles, resilientes und vernetztes Hilfeleistungssystem bilden und somit für hilfebedürftige Menschen beitragen bzw. eingesetzt werden können.
Die Kommunen müssten die Strukturen zur Ergänzung des Rettungsdienstes und zur Abdeckung der Spitzenbedarfe bei Großschadenslagen größtenteils selbst aufbauen. Dies ist unrealistisch.
Beschädigung des Ehrenamtes
Bestehende Strukturen bürgerschaftlichen Engagements in den Hilfsorganisationen würden wesentlich geschwächt. Zudem stellt das Ehrenamt viel Nachwuchs für den Rettungsdienst.
Die Schwächung des Ehrenamtes reduziert den Nachwuchs für den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz. Das System wird, mangels Synergieeffekte, geschwächt.
Wettbewerbsverlust
Die Kommune ist Träger des Rettungsdienstes – i.d.R. durch Ausschreibung - eines Leistungserbringers.
Mit der Verstaatlichung entstünde somit kein Raum mehr für Wettbewerb. Moderater Wettbewerb ist jedoch der Motor für Qualitätsentwicklung und Steigerung der Leistungsfähigkeit im Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz zum Wohle der Bevölkerung.
Rechtlicher Hintergrund
Fundstelle | § 12 Abs. 2 RettDG LSA § 13 Abs. 1 RettDG LSA | DRK-Gesetz und Völkerrecht (häufig ausgeblendet) |
Inhalt | Die Träger des Rettungsdienstes sollen sich grundsätzlich geeigneter Leistungserbringer bedienen (§ 12 Abs. 2I). Konzessionen gehen an die im Bevölkerungsschutz aktiven Organisationen (§ 13 Abs. 1). | Das Deutsche Rote Kreuz e. V. ist die Nationale Gesellschaft des Roten Kreuzes auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und freiwillige Hilfsgesellschaft der deutschen Behörden im humanitären Bereich. |
Bedeutung | Die beim EuGH bestätigte Bereichsausnahme Gefahrenabwehr (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 GWB) ist kein freies Wahlrecht für den Träger. Landesrechtlich sollen die im Bevölkerungsschutz aktiven Hilfsorganisationen den Rettungsdienst durchführen. Nur im begründeten Ausnahmefall darf überhaupt kommunalisiert werden. Die Vorgabe des Gesetzes ist sinnvoll: Der Staat kann i.d.R. nicht die vernetzten, leistungsfähigen Strukturen mit vielen qualifizierten ehrenamtlichen Helfern aufrechterhalten. Diese sind für Großschadenslagen, Katastrophen und für die Nachwuchsgewinnung im Rettungsdienst(!) wichtig. | Das DRK-Gesetz setzt das humanitäre Völkerrecht in Deutschland um. Damit sind Politik und Verwaltung verpflichtet, das DRK (und ggf. andere HiOrg) zu unterstützen. Auch dies schließt eine Kommunalisierung i.d.R. aus: Ohne Basis im Rettungsdienst brechen mittelfristig wichtige andere Bereiche weg. Der Ukraine-Krieg (Stichwort Zeitenwende) macht deutlich, dass die Schutzfunktion der Hilfsorganisationen nicht entkernt werden darf. Der Staat (Politik und Verwaltung) muss das DRK und die anderen freiwilligen Hilfsgesellschaften dahingehend unterstützen, dass diese ihre Aufgaben erfüllen können. Dies schließt eine signifikante Stellung im Rettungsdienst mit ein. Flächendeckende Kommunalisierung ist unklug und rechtswidrig. |
Wir fordern
- Stopp der beabsichtigten Verstaatlichung in Sachsen-Anhalt.
- Landesrecht muss eingehalten werden – Träger sollen die Hilfsorganisationen einsetzen.
- Anerkennung der Hilfsorganisationen im humanitären Bereich einhergehend mit der Stärkung und Sicherstellung des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes.
- Stärkung guter Qualität, Vernetzung und Aufwachskapazitäten für die gesamte gesundheitliche Gefahrenabwehr.