„Ich habe mich impfen lassen“ - DRK-Landesverbandsärztin Ina Mungard über die Corona-Impfung
Bei vielen Menschen herrscht aktuell Unsicherheit bezüglich der Corona-Impfung. Im Interview erklärt DRK-Landesverbandsärztin Ina Mungard, warum eine breite Impfbereitschaft in der Bevölkerung so wichtig ist, zu welchen Nebenwirkungen die Impfung führen kann und wie sie selbst die Corona-Impfung erlebt hat.

Frau Mungard, warum ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen gegen das Coronavirus impfen lassen?
Mir ist es wichtig, niemanden zu einer Impfung zu überreden. Jeder Mensch hat in Deutschland das Recht, selbst über Eingriffe an seinem Körper zu entscheiden, und das ist gut so. Es ist mir aber ebenso wichtig, über die Impfung zu informieren und unberechtigte Ängste abzubauen, denn ein Verzicht auf eine Impfung hat Konsequenzen – für die jeweilige Person selbst, für die Familie und Kollegen aber auch gesellschaftlich.
Wir befinden uns inmitten einer Pandemie, die täglich hunderte, zuletzt sogar über tausend Tote in Deutschland fordert. Zusätzlich zu den Toten kommen viele Patienten, die COVID-19 zwar überleben, aber schwere Folgeschäden davontragen. Auch junge Patienten leiden zum Teil monatelang an Folgen der Erkrankung wie Atemnot, Reizhusten, Geschmacksverlust und anderen neurologischen Störungen. Und nicht zuletzt leiden auch diejenigen in unserer Gesellschaft, die nicht erkranken, an den psychosozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie.
Es wurden innerhalb des letzten Jahres zwar enorme Fortschritte in der Forschung zum SARS-CoV-2-Virus gemacht, aber es gibt noch immer keine ursächliche Therapie, kein Medikament, mit dem wir die Erkrankung heilen könnten. Mit einer Impfung kann sich jeder Einzelne selbst schützen und wir können als Gesellschaft dem Virus den Wind aus dem Segel nehmen und seine Verbreitung eindämmen.
Sie haben sich selbst impfen lassen. Warum? Und wie haben Sie die Impfung erlebt?
Wenn wir in der Medizin gute Entscheidungen treffen wollen, müssen wir eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung durchführen. Wir müssen uns informieren und die Chancen und Risiken einer Maßnahme gegeneinander abwägen. Für mich überwiegt der Nutzen der Impfung gegen SARS-CoV-2 die Risiken einer potenziellen COVID-19-Erkrankung erheblich.
Die Impfung selbst war nicht schmerzhaft, ich habe sie trotz zahlreicher Allergien gut vertragen. Ich hatte leichte Muskelschmerzen an der Einstichstelle am Arm, die am nächsten Tag verschwunden waren. Außerdem war ich am Tag nach der Impfung etwas müde. Ob das nun an der Impfung, an meiner Arbeit auf einer COVID-19-Intensivstation oder meinen Kindern lag – wer weiß das schon?
Viele Menschen haben Angst vor Langzeitfolgen. Wie kann man ihnen diese Sorge nehmen?
Es ist richtig, dass es noch keine Langzeituntersuchungen zu den Impfstoffen gibt. Aus den bisherigen Erkenntnissen der mRNA-Forschung ist aber nicht davon auszugehen, dass es gravierende Langzeitfolgen geben könnte. Die mRNA wird innerhalb von Tagen abgebaut und verschwindet somit aus unserem Körper. Auch die Spike-Proteine werden vom Immunsystem erkannt und eliminiert.
Was wir aber sicher wissen ist, dass ein hoher Prozentsatz an Patienten, die eine COVID-19-Erkrankung überlebt haben, noch Monate nach Negativtestung an Folgeerscheinungen leidet. Ob und wann die verschwinden, wissen wir nicht.
Viele Menschen sind unsicher, weil der Impfstoff verhältnismäßig schnell entwickelt und auf den Markt gebracht wurde. Wie sicher ist die Corona-Impfung?
Im Jahr 2020 hat eine beispiellose internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Virus stattgefunden.
Forschungsergebnisse werden klassischerweise gesammelt, ausgewertet und interpretiert, dann in aufwendigen Review-Verfahren geprüft und Monate später veröffentlicht. Erst dann findet für gewöhnlich eine wissenschaftliche Diskussion statt.
Im Rahmen der Corona-Pandemie gab es einen sogenannten „rolling review“. Wissenschaftler und Zulassungsbehörden konnten sich direkt nach der Datenerhebung austauschen. Dabei halfen Datenbanken, in denen Informationen zu verschiedenen Impfstudien zentral erfasst wurden.
Hinzu kommt, dass das mRNA-Verfahren, das angewendet wird, bereits Jahre zuvor entwickelt wurde und sozusagen bereitstand. Auch Erfahrungen mit anderen SARS-Viren, die bereits vorhanden waren, flossen ein.
Bei der Entwicklung und Zulassung der SARS-CoV-2-Impfstoffe wurden alle Phasen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben durchlaufen – und zwar so weit wie möglich parallel. Das heißt es wurde nicht erst gewartet, bis eine Phase abgeschlossen war, sondern schon parallel mit der nächsten begonnen. Das führte zu einer enormen Zeitersparnis.
Gleichzeitig führt auch die synthetische Herstellung des mRNA-Impfstoffs zu schnelleren Ergebnissen. Andere Impfstoffe müssen beispielsweise erst in Zellkulturen oder Hühnereiern heranreifen. Darauf konnte man hier ebenfalls verzichten.
Wie wirkt ein mRNA-Impfstoff?
Der mRNA-Impfstoff führt zu großer Verunsicherung in der Bevölkerung. Es gibt Behauptungen, dass damit die DNA des Menschen verändert werden würde. Das ist definitiv nicht der Fall. Hier werden mRNA und DNA verwechselt. Die mRNA ist die „Bauanleitung“ für jedes einzelne Eiweiß des Körpers. Die DNA wiederum ist der Träger der menschlichen Erbinformation.
Die mRNA müsst zunächst durch ein Enzym, die reverse Transkriptase, in eine DNA umgewandelt werden. Dieses Enzym liegt aber in den Zellen nicht vor und selbst wenn es vorläge, wäre eine Integration in die menschliche DNA äußerst unwahrscheinlich.
Ein mRNA-Impfstoff enthält den „Bauplan“ oder Code eines bestimmten Virusmerkmals. Beim Corona-Impfstoff ist es der Code des Spike-Proteins. Diese Information wird in eine Fetthülle eingebettet, sodass sie in die menschlichen Zellen aufgenommen und „verarbeitet“ werden kann. Der Körper ist dadurch in der Lage, das Spike-Protein selbst zu produzieren und dem Immunsystem zu präsentieren. Die Folge ist: Der Körper erkennt das Protein als fremd an und beginnt daraufhin, eine Immunantwort zu produzieren. Die mRNA wird dann vom Körper abgebaut.
Kann man durch die Impfung an Corona erkranken?
Nein, das kann man nicht. Es wird nicht das Virus bzw. nicht die Information des gesamten Virus injiziert, sondern lediglich der Code eines Bestandteils des Virus, nämlich der Code des Spike-Proteins.
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Generell kann man sagen, dass Nebenwirkungen größtenteils vorübergehend auftraten und etwas häufiger nach der zweiten Impfdosis vorkommen. Bei älteren Menschen sind die Nebenwirkungen schwächer ausgeprägt als bei jüngeren. Einige Stunden nach der Impfung spürt man einen Muskelschmerz im Oberarm. Das kennen viele sicherlich auch von anderen Impfungen. Es kann zu vorübergehenden Beschwerden wie Müdigkeit, Fieber, Schüttelfrost, Muskel- und Gelenkschmerzen oder Übelkeit und Erbrechen kommen. Spätestens sieben Tage nach der Impfung waren diese Symptome aber verschwunden.
Man testet die auftretenden Nebenwirkungen immer im Vergleich zu Personen, denen ein Placebo, beispielsweise Kochsalzlösung, gespritzt wurde. Wenn man Zehntausende Menschen engmaschig beobachtet, so ist klar, dass es auch rein statistisch zu schwerwiegenden Ereignissen in dieser Gruppe kommt.
Allerdings gab es keinen signifikanten Unterschied zu auftretenden schwerwiegenden Ereignissen im Vergleich zur Placebogruppe. So kam es in der BioNTech-Zulassungsstudie zu insgesamt sechs Todesfällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung, davon zwei in der Impfgruppe, vier in der Placebogruppe. Zwölf Studienteilnehmer erlitten eine Entzündung des Wurmfortsatzes (Appendizitis), davon acht aus der Impfgruppe, vier aus der Placebogruppe. Signifikant häufiger kam es zu Lymphknotenschwellungen in der Impfgruppe, was im Rahmen der Immunreaktion zu erwarten war und die sich nach wenigen Tagen vollständig zurückbildeten. Ebenfalls signifikant häufiger traten Gesichtslähmungen unklarer Ursache (ideopathische Fazialisparesen) in der Impfgruppe auf (4), in der Placebogruppe gar nicht. Die erwartete Inzidenz hierfür beträgt aber auch in der Normalbevölkerung 25:100000. Bei 40.000 beobachteten Studienteilnehmenden ist dieses Krankheitsbild also mit einer Inzidenz von ca. 10:40000 Fällen erwartbar.
Auch nach der Impfung mit dem Moderna-Impfstoff traten schwerwiegende Ereignisse auf: Insgesamt fünf Todesfälle wurden verzeichnet, davon zwei in der Impfgruppe (ein Herz-Kreislauf-Stillstand, ein Suizid), drei in der Placebogruppe. Gesichtslähmungen traten in der Placebogruppe einmal auf, in der Impfgruppe dreimal.
Das allergene Potential der Impfstoffe ist als eher gering einzustufen, da keine Fremdeiweiße, keine Adjuvantien, keine Wirkverstärker eingesetzt werden. Lediglich Personen, die eine lebensbedrohliche allergische Reaktion (Anaphylaxie) erlitten haben, müssen vorsichtig sein und sollten 30 Minuten nach der Impfung beobachtet werden. Eine Kontraindikation für die Impfung liegt vor, wenn Personen eine nachgewiesene Allergie auf einen der Bestandteile der Impfung haben. Eine Anaphylaxie tritt bei etwa einer von 100.000 geimpften Personen auf.
Wie lange besteht der Impfschutz? Muss man die Impfung auffrischen lassen oder wie bei der Grippeimpfung jedes Jahr neu geimpft werden?
Bisher liegen lediglich Ergebnisse zur Untersuchung der Impfwirkung nach zwei Monaten vor. Wir erwarten aber in naher Zukunft Daten über die Wirksamkeit nach fünf bis sechs Monaten nach Impfung. Derzeit wird davon ausgegangen, dass für mindestens ein Jahr ein suffizienter Impfschutz bestehen könnte, wahrscheinlich sogar länger.
Wichtig ist, dass auch nach der Impfung weiterhin die AHA(L)-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, Lüften) eingehalten werden müssen. Zum einen dauert es eine gewisse Zeit, bis ein ausreichender Impfschutz aufgebaut wird, zum anderen ist noch nicht klar, wie sicher die Impfung auch eine Übertragung von SARS-CoV-2 verhindert, auch wenn man selbst nicht mehr schwer erkrankt.